Worum geht’s?
Der erste Teil des Themenblocks „Atmung“ hat dir die wichtigen anatomischen und physiologischen Grundlagen des Atmungssystems nähergebracht und erklärt. In diesem zweiten, vertiefenden Teil soll es nun um die Notfallbilder gehen, die mit dem Atmungssystem assoziiert werden können. Neben den Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems spielen die Notfälle dieses Themengebietes ebenfalls eine zentrale Rolle in der Notfallmedizin. Wir atmen noch einmal tief durch und fangen direkt an!
In dieser Lektion lernst du…
- … welche allgemeinen Basismaßnahmen bei der Versorgung von „Atmungs-Notfällen” relevant sind.
- … die relevantesten Notfallbilder des Atmungssystems und deren präklinische und notfallmedizinische Behandlung.
Lernstoff
Notfälle
Für dein allgemeines Grundwissen solltest du einige Basismaßnahmen im Zusammenhang mit Notfällen des Atmungssystems kennen. Diese Basismaßnahmen sind nicht immer indiziert, können dir jedoch im Zusammenhang mit den nachfolgenden Notfallbildern ein systematisches Arbeiten wesentlich erleichtern.
Basics:
Abhängig von den jeweiligen Symptomen und vom entsprechenden Notfall sind verschiedene Basismaßnahmen bei der Versorgung Atmungs-spezifischer Notfallbilder wichtig. Eine allgemeine Aufzählung der wichtigsten Maßnahmen, die du für die Prüfung kennen solltest, haben wir dir im folgenden zusammengestellt.
Bei Notfällen, die mit Erkrankungen und/oder Störungen des Atmungssystems einhergehen, solltest du die Anwendung folgender Basismaßnahmen im Hinterkopf behalten:
- Beurteilung und Behandlung immer nach der Abfolge und Priorität des ABCDE-Schemas
- Patient:innen beruhigen, betreuen und informieren
- Beurteilung der Atemfrequenz, -tiefe, und -rhythmik sowie Einsatz der Atemhilfsmuskulatur
- Beengende Kleidungsstücke öffnen, ggf. Frischluftzufuhr z.B. durch geöffnete Fenster
- Lagerung: erhöhter Oberkörper, Unterstützung bei Einsatz der Atemhilfsmuskulatur
- Auskühlung durch Wärmeerhalt vermeiden
- Sauerstoffgabe bei Zyanose, Atemnot und/oder Sauerstoffsättigungswerten deutlich unter < 94% liegen → CAVE: COPD-Patient:innen müssen bei Sauerstoffgabe engmaschig überwacht werden
fracto hilft
Der Begriff COPD beschreibt ein Notfallbild des Atmungssystems, welches du in nachfolgenden Abschnitten dieser Lektion noch kennenlernen wirst. Wichtig ist, dass du dir merkst, dass COPD-Patient:innen bei Sauerstoffgabe stets sehr genau überwacht werden sollten. Warum das so ist, lernst du später.
Fallbeispiel – Fortsetzung 01
Nach ein kurzen Anfahrt stellen Sie den KTW in Laufweite zum Einsatzort ab. Die Einsatzstelle scheint auf den ersten Blick sicher zu sein und eine Bedienstete des Cafés kommt Ihnen mit den Worten „Kommen Sie schnell! Er atmet total schwer und wird schon blau um den Mund“ bereits entgegen. Mit Ihrem Kollegen nehmen Sie die nötige Einsatzausrüstung, Notfallrucksack, Sauerstoff und Absaugpumpe, sowie den AED mit an die Einsatzstelle. Nach kurzem Fußweg erreichen Sie ein „80er-Jahrgangstreffen“ in einer gutbürgerlichen Konditorei. Bereits beim Betreten der Lokalität fällt Ihnen der vermeintliche Patient ins Auge, ein blasser älterer Herr, der unruhig am Tisch sitzt. Ein Blick ins Gesicht des Patienten zeigt Ihnen Zyanosezeichen um den Mund und Sie können eine gesteigerte Atemfrequenz mit Einsatz der Atemhilfsmuskulatur erkennen…
Notfall 01
Asthma bronchiale
Definition: Asthma bronchiale bezeichnet eine chronische und gleichzeitig entzündliche Erkrankung, vor allem des luftleitenden Atmungstraktes. Ein Notfallbild liegt insbesondere bei einem akuten Asthmaanfall vor indem die Bronchialschleimhaut anschwillt, sich vermehrt Sekret bildet und sich die Bronchialmuskulatur akut verkrampft.
Ursachen: Exrtrinsiche Faktoren (allergische Reaktionen z.B. auf Gräser, Tiere etc.) sowie intrinsische Faktoren (nicht-allergische Ursachen wie Atemwegserkrankungen, Arzneimittel oder körperliche Belastung) können einen Asthma Anfall auslösen
Symptome: Husten, Atembeschwerden bis hin zu schwerer Atemnot, erschwerte Expiration, Zyanose, Angst, Tachykardie
Therapie: Strukturierte Ersteinschätzung und Erstversorgung nach der ABCDE Herangehensweise. Frühzeitige hochdosierte Sauerstoffinhalation und Lagerung mit erhöhtem Oberkörper. Eine Anleitung zur Lippenbremse sowie das entfernen beengender Kleidung oder das Öffnen eines Fensters kann das subjektive Empfinden der Atemnot des Patienten möglicherweise reduzieren. Früh sollte die Sauerstoffsättigung sowie Blutdruck und Puls überwacht werden und zeitnah ein Notarzt nachgefordert werden bei Verdacht auf einen Asthma-Anfall. Die erweiterte Versorgung sieht die inhalative Therapie von ß2-Sympathomimetika (z.B. Salbutamol) und Parasympatholytika (z.B. Ipratropiumbromid) vor, um die bronchiale Verengung rückgängig zu machen. Des weiteren können Patient:innen mit Asthma Anfall frühzeitig von einer nicht-invasiven Ventilation (NIV) profitieren bzw. von der i.v.-Gabe von Kortison, Magnesiumsulfat oder weiteren ß2-Sympathomimetika.
Notfall 02
COPD
Definition: Bei der chronisch-ostruktiven Lungenerkrankung (pulmonal disease) = COPD liegt eine chronische Verengung der Atemwege vor. Dabei ist (siehe Asthmaanfall) vor allem eine plötzliche Verschlechterung (Exacerbation) der COPD notfallmedizinisch relevant.
Ursachen: Die COPD entwickelt sich durch eine längere Expostion mit lungenschädlichen Substanzen. Diese können berufsbedingt inhaliert werden (z.B. Staub); jedoch stellt die häufigste Ursache der Tabakrauch dar. Eine COPD entwickelt sich aus einer chronischen Bronchitis und einem Lungenemphysem. Die Bronchien sind dauerhaft („chronisch“) verengt. Durch bestimmte Events, z.B. durch eine Infektion, verschlechtert sich die COPD akut und resultiert in einer schweren Atemnot, welche von der Symptomatik her dem Asthma Anfall sehr ähnlich ist.
Symptome: Tachypnoe, Zyanose, Atemnot, expiratorischer Stridor, Husten mit Auswurf.
Therapie: Die Therapie unterscheidet sich bei einer akuten exacerbeirten COPD nicht von der des Asthma Anfalls. Ein wesentlicher Unterschied stellt jedoch die hochdosierte Sauertstoffgabe dar. Diese sollte bei Patienten mit COPD restriktiver stattfinden und orientiert sich an einem Zielbereich der Sauerstoffsättigung von 88-92%. Die Sauerstoffgabe sollte nie unkontrolliert stattfinden, da dies in einen Atemstillstand münden kann.
Notfall 03
Lungenentzündung (Pneumonie)
Definition: Allgemein gesprochen bezeichnet die Pneumonie eine Infektionserkrankung der Lunge, die sehr häufig mit entzündlichen Vorgängen einhergeht.
Ursachen: Die Pneumonie kann durch Viren, Bakterien aber auch durch Pilze oder Chemikalien ausgelöst werden. Bei einer bakteriellen Infektion spricht man von einer typischen Pneumonie. Eine atypische Pneumonie wird zumeist durch Viren verursacht.
Symptome: Die typische Pneumonie ist gekennzeichnet durch einen raschen Verlauf mit hohem Fieber, Atemnot, Husten mit Auswurf sowie einem schweren Krankheitsgefühl.
Therapie: Strukturierte Ersteinschätzung und Erstversorgung nach der ABCDE Herangehensweise. Frühzeitige hochdosierte Sauerstoffinhalation und Lagerung mit erhöhtem Oberkörper. Bei schwerer Atemnot: Nachforderung eines Notarztes. Vorbereitung von i.v.-Zugang und Infusion.
Notfall 04
Lungenödem
Definition: Sammelt sich Flüssigkeit um die Alveolen oder in den Alveolen an, kommt es zu einem Lungenödem. Die Flüssigkeitsansammlung führt zu einer massiven Beeinträchtigung des Gasaustausches und macht das Lungenödem damit zu einem absoluten Notfall.
Ursachen: Die häufigste Ursache ist die Linksherzinsuffizienz, allerdings kann ein Lungenödem auch durch Niereninsuffizienz, Erkrankungen der Leber oder durch giftige Substanzen (toxisches Lungenödem) ausgelöst werden.
Symptome: (schwere) Atemnot, Husten, Blässe, Zyanose, feucht-brodelnde Atemgeräusche, Kaltschweißige Haut
Therapie: Strukturierte Ersteinschätzung und Erstversorgung nach der ABCDE Herangehensweise. Frühzeitige hochdosierte Sauerstoffinhalation und Lagerung mit erhöhtem Oberkörper. Nachforderung eines Notarztes. Vorbereitung von i.v.-Zugang und Infusion. Die erweiterten Versorgungsmaßnahmen sehen eine Senkung der kardinalen Vorlast vor. Dies wird mit Medikamenten wie Nitraten und Schleifendiuretika durchgeführt. Ergänzend kann auch eine NIV die Situation deutlich verbessern.
Fallbeispiel – Fortsetzung 02
Sie stellen sich dem Patienten vor, der aufgrund der gesteigerten Atemfrequenz nur mit großer Mühe mit ihnen spricht. Anschließend beginnen Sie mit einer strukturellen Erstversorgung nach dem ABCDE-Schema. Sie untersuchen zu Beginn die Atemwege (Airways) des Patienten. Ohne bereits mithilfe Ihres Stethoskops eine Auskultation durchzuführen, können Sie ein grobblasiges Rasseln vernehmen. Die Sauerstoffsättigung (Breathing) des Fingerclips zeigt initial 85 % an und die gesteigerte Atemfrequenz des Patienten von etwa 35/Minute ist unübersehbar. Sie weisen Ihren Kollegen an, eine Reservoirmaske aus dem Beatmungskoffer mit 15 l/min für die Sauerstoffgabe vorzubereiten. Parallel dazu fühlen sie peripher den Radialispuls des Patienten (Circulation), welcher gut tastbar, rhythmisch und regelmäßig, jedoch deutlich über der Normfrequent liegt. Ein Blick auf das Pulsoxymeter zeigt Ihnen eine tachykarde Pulsfrequenz von 130/min an. Beim Tasten des Pulses fällt Ihnen ebenfalls auf, dass sich die Haut des Patienten kalt und schweißig anfühlt.
Sie vernehmen das Sondersignal der ebenfalls zugeteilten Rettungsmittel und kurze Zeit später treffen die RTW-Besatzung und ein Notarzt am Einsatzort ein. Sie berichten dem Notarzt Ihre bisherige Therapie und nennen ihm die gemessenen Vitalparameter. Der Notarzt delegiert das Messen des Blutdrucks an Ihren Kollegen und beauftragt Sie mit der Anlage eines 12-Kanal-EKGs, bei der Sie durch die RTW-Besatzung unterstützt werden. Aufgrund der Kaltschweißigkeit beginnt der Notarzt parallel mit der Anamnese und fragt insbesondere die Symptomatik eines akuten Koronarsyndroms (ACS) ab. Aufgrund der Gegebenheiten und nach Befundung des EKG-Ausdrucks kann ein ACS jedoch vorerst ausgeschlossen werden. Ihr Kollege nennt nach der Messung des Blutdruckes einen Wert von 100/75 mmHg. Auf Anweisung des Notarztes kümmert sich die RTW-Besatzung um die Einrichtung eines peripheren Venenverweilkatheters, während Sie und ihr Rettungshelfer-Kollege mit der Vorbereitung des Transportes beauftragt werden.
Notfall 05
Ertrinken und Beinaheertrinken
Definition: Kommt es durch vollständiges Untertauchen des Kopfes in Flüssigkeiten binnen 24 Stunden zum Tod, spricht man von Ertrinken. Ein Beinaheertrinken liegt vor, wenn die ersten 24 Stunden nach dem Vorfall überlebt werden.
Ursachen: Der Ertrinkungsunfall stellt vor allem bei Kindern eine häufige Todesursache dar. Dabei passieren viele Unfälle nicht zwingend in tiefen Gewässern, sondern zum Teil in flachen und scheinbar ungefährlichen Gewässern. Die zweite Risikogruppe stellen Erwachsene dar, welche unter Alkohol- oder Drogeneinfluss schwimmen oder sich überanstrengen und im Gewässer internistische Notfälle erleiden wie z.B. Herzinfarkt, Herzrhythmusstörungen, Hypoglykämie oder Krampfanfälle. Auch hitzebedingte Notfälle können in den Sommermonaten an Badeseen oder Freibädern zu Badeunfällen führen.
Symptome: Atemnot, Zyanose, Bewusstlosigkeit, Hypothermie, Herz-Kreislauf-Stillstand
Therapie: Die Rettung von Personen aus Gewässern sollte stets durch Fachdienste wie die DLRG oder die Feuerwehr durchgeführt werden. Strukturierte Ersteinschätzung und Erstversorgung nach der ABCDE Herangehensweise.
Grundsätzlich ist bei Ertrinkungsunfällen immer mit kritischen Patient:innen zu rechnen sowie mit Reanimationssituationen. Grund ist meist die Hypoxie, weshalb der Versorgungsfokus bei Patient:innen mit Puls auf freien Atemwegen und ausreichender Belüftung sowie die Gabe von hochdosiertem Sauerstoff liegen sollte. Bei Personen mit Herz-Kreislauf-Stillstand sind reguläre Reanimationsmaßnahmen einzuleiten; jedoch muss auch hier mit Atemwegsverlegungen durch Wasser und Problemen wie Aspiration gerechnet werden.
Notfall 06
Hyperventilation
Definition: Eine unbewusste Steigerung der normalen Atemfrequenz und -tiefe bezeichnet man als Hyperventilation. Im Regelfall geht diese mit einer verstärkten Abatmung von Kohlenstoffdioxid (CO2) einher, weshalb dies durch Gegenregulationsmechanismen des Körpers in Symptome eines Kalziummangels mündet.
Ursachen: Organisch bedingte Hyperventilation ist selten; zumeist sind psychische Auslöser der Grund (Angst, Aufregung, Panikzustände, Stresssituationen, Schmerzen). Oft betroffen sind jüngere Frauen.
Symptome: Muskelkrämpfe, Kribbelgefühl vor allem in den Händen, subjektiv wahrgenommene „Atemnot“, Zittern, teilweise Synkope
Therapie: Schlüssel zur Behebung der Hyperventilation ist die Beruhigung der Patient:innen. Durch ruhiges Auftreten und erklären von Maßnahmen kann Umgebungsbedingter (zusätzlicher) Stress reduziert werden. Die Rückatmung in eine Plastiktüte behebt das Problem meist nach kurzer Zeit. Bei schweren Formen wird möglicherweise eine medikamentöse, leichte Sedierung durch einen Notarzt notwendig.
Notfall 07
Aspirationen
Definition: Jedes ungewollte Verschlucken oder Einatmen von Fremdkörpern oder Flüssigkeiten in das Atmungssystem fasst man unter dem Begriff Aspiration zusammen. Im schlimmsten Fall blockiert (verlegt) ein Fremdkörper die Atemwege teilweise oder komplett, was ein sogenanntes Bolusgeschehen nach sich ziehen würde.
Ursachen: Grundsätzlich haben alle bewusstlose Patient:innen ein erhöhtes Risiko für Aspiration, ebenso wie Patient:innen, welche eine Beutel-Masken-Beatmung erhalten, da diese auch immer mit einer gewissen Überblähung des Magens einhergeht. Weiterhin sind Kleinkinder, alte Menschen sowie stark alkoholisierte Patient:innen aspirationsgefährdet. Kleinkinder aspirieren meist kleine Gegenstände oder feste Nahrungsbestandteile. Ältere Menschen, vor allem welche aufgrund einer Demenzerkrankung oder eines Schlaganfalls eine Schluckstörung haben, aspirieren folglich ebenfalls zumeist nicht-ausreichend zerkaute Speisereste.
Symptome: Abhängig von Größe und Konsistenz tritt plötzlich starker Husten, Atemnot sowie Stridor und Erstickungssgefühl bei den Betroffenen ein. Bei schweren Verläufen tritt sofortige Zyanose ein, schnelle Beuwsstseinseintrübung bis hin zu einem Hypoxie-bedingten Kreislaufstillstand.
Therapie: Strukturierte Ersteinschätzung und Erstversorgung nach der ABCDE Herangehensweise. Patienten, welche noch bei Bewusstsein sind zum Husten animieren. Eskalation 5 Rückenschläge mit nach vorn gebeugtem Oberkörper durchführen, bei ausbleibendem Erfolg Oberbauchkompressionen durchführen. Bei Bewusstlosigkeit Beatmungsversuche mittels Beutel-Maske unternehmen bei gleichzeitiger Absuagbereitschaft. Das einlegen eines Larynxtubus kann ebenfalls erwogen werden, zumal ein Kreislaufstillstand bei einer solch massiven Aspiration sehr wahrscheinlich sein wird. Der Notarzt kann eskalierend mittels einer Laryngoskopie versuchen, den Fremdkörper zu entfernen bzw. endotracheal zu intubieren. In schwersten Fällen der Atemwegsverlegung, bei welchen weder intubiert noch beatmet werden kann („can’t intubate, can’t oxygenate“-Situation) muss als ultima ratio eine Koniotomie durchgeführt werden. Falls der Fremdkörper entfernt werden kann muss der Patient gezielt nachversorgt werden durch frühzeitige, hochdosierte Sauerstoffinhalation und Lagerung mit erhöhtem Oberkörper. Nachforderung eines Notarztes, engmaschiges Monitoring und Vorbereitung von i.v.-Zugang und Infusion stellen ebenfalls Maßnahmen der Nachversorgung dar.
Notfall 08
CO-Intoxikation und CO2-Erstickung
Definition: Das Einatmen (Inspirieren) zu großer Mengen nicht-atmungsfähiger Gase beschreibt man als Erstickung. In der Notfallmedizin trennt man in zwei relevante Gase: Die CO- (Kohlenmonoxid-) Intoxikation und die CO2– (Kohlendioxid) Erstickung.
Ursachen: CO entsteht durch unvollständige Verbrennungen und ist in etwa gleich schwer wie Luft, sowie geruchs- und farblos. Die große Gefahr von CO besteht in seiner ca. 300x höheren Bindungsaffinität an das Hämoglobin und setzt sich damit bei entsprechender Konzentration in der Umgebung immer gegen Sauerstoff durch. Dabei geht vor allem auch eine große Gefährdung für Rettungsdienstpersonal aus. Der beste Schutz ist daher das konsequente Tragen eines CO-Warngerätes sowie situative Aufmerksamkeit und das Wissen, wo mit CO zu rechnen ist (defekte Heizungsanlagen, Diesel-Generatoren/Motoren allgemein, Brände, Holzkohlegrills). Patient:innen erleiden eine CO-Intoxikation entweder versehentlich oder beabsichtigt (z.B. als Suizidmethode).
CO2, welches ebenfalls farb- und geruchlos ist, ist schwerer als Luft und bildet daher immer sogenannte CO2-Seen. Auch der Kontext, in welchem man im rettungsdienstlichen Einsatz auf CO2 trifft ist ein anderer als bei CO. CO2 entsteht im Rahmen biologischer Abbauprozesse von organischen Substanzen (Futtersilos, Biogasanlagen, Gärkeller etc.).
Symptome: CO-Intoxikation: Kopfschmerzen, Bewusstseinsstörung, Müdigkeit, Schwindel, Tachykardie, Übelkeit und Erbrechen, Krampfanfälle, hypoxisch-bedingter Kreislaufstillstand, ACHTUNG: keine Zyansose trotz massivem O2-Mangel, da das Hämoglobin als beladen gilt. Die Patiet:innen weisen neben einer rosigen Hautfarbe auch falsch-positive SpO2-Messwerte auf!
CO2-Erstickung: Kopfschmerzen, Müdigkeit, Unruhe, vertiefte Atmung, Zyanose, hypoxie-bedingter Kreislaufstillstand.
Therapie: Die Rettung und Übergabe von Patientinnen mit CO-Intoxikation oder CO2-Erstickung sollte stets durch die Feuerwehr durchgeführt werden.
CO-Intoxikation: Strukturierte Ersteinschätzung und Erstversorgung nach der ABCDE Herangehensweise. Lagerung nach Patientenzustand, hochdosierte Sauerstoffgabe und ggf. Beatmung mit 100% Sauerstoff. Engmaschige Überwachung und Vorbereiten eines i.v.-Zugang und einer Infusion sowie der endotrachealen Intubation für den Notarzt. Falls vorhanden, SpCO-Messgerät nutzen. Patient:innen mit schwerer CO-Intoxikation müssen einer Klinik mit der Möglichkeit der hyperbaren Oxygenierung zugeführt werden (aufgrund langer Fahrtstrecken hier früh an die Luftrettung denken!).
CO2-Erstickung: Strukturierte Ersteinschätzung und Erstversorgung nach der ABCDE Herangehensweise. Lagerung nach Patientenzustand, hochdosierte Sauerstoffgabe und ggf. Beatmung mit 100% Sauerstoff. Engmaschige Überwachung und Vorbereiten eines i.v.-Zugang und einer Infusion sowie der endotrachealen Intubation für den Notarzt.
Fallbeispiel – Fortsetzung 03
Der Notarzt entscheidet sich für die Gabe einiger Symptom-induzierter Medikamente und ordnet 40 mg Furosemid i.v. an. Zudem werden Sie damit beauftragt die automatische Nicht-invasive Blutdruckmessung (NIBD) an den Patienten anzulegen. Nach erneuter Blutdruck-Messung, verabreicht der anwesende Notfallsanitäter 2 Hübe eines Nitrat-haltigen Sprays unter die Zunge des Patienten. Sie informieren den Notarzt im Anschluss an die Verabreichung der beiden Medikamente, dass die nötigen Mittel für den Transport soweit vorbereitet seien und fragen nach weiteren Aufgaben. Der Notarzt weist sie daraufhin an, den Blutzuckerwert (Disability) zu erheben und einen Blick auf die Beine des Patienten zu werfen. Sie delegieren die Messung des Blutzuckerwertes an Ihren Rettungshelfer-Kollegen und erkennen beim Blick auf die Beine deutlich erkennbare Beinödeme. Ihr Kollege nennt „140 mg/dl“ als Wert für den gemessenen Blutzucker.
Der Notfallsanitäter des RTWs kümmert sich nun um eine telefonische Voranmeldung des Patienten in internistischen Notaufnahme des nächstgelegenen Klinikums und meldet dem Team eine voraussichtliche Fahrtzeit von etwa 10 Minuten zurück, die angefragt Klinik würde den Patienten aufnehmen. Sie den Patienten lagern auf Anweisung des Notarztes mit Unterstützung Ihres Kollegen auf die vorbereitete Trage um und beginnen mit dem Transport in den RTW. Sie übergeben den Patienten nun an die RTW Besatzung und fragen, ob Sie final noch notfallmedizinische Unterstützung leisten können. Nachdem Sie den Patienten auf Wunsch des Notfallsanitäters auf der Trage angeschnallt haben, verlassen Sie den RTW und kehren zu Ihrem KTW zurück.
Der Patient wird unter Sonder- und Wegerechte mit Verdacht auf ein akutes Lungenödem in die angemeldete Klinik transportiert.
Auf den Punkt gebracht
Wir haben uns nun gemeinsam durch die wichtigsten Atmungs-spezifischen Notfallbilder gearbeitet. Du kennst nun die relevanten Notfälle und deren Therapie und Behandlung. Nach dieser Lektion solltest du dein Wissen und das Gelernte unbedingt in ein paar Übungsaufgaben anwenden, die wir dir nach dieser Lektion zur Verfügung gestellt haben. Wichtig ist dabei vor allem auch, dass du dir bei der Bearbeitung der Übungsaufgaben immer wieder die verschiedenen Definitionen der Notfallbilder in Erinnerung rufst, damit du in der Praxis blitzschnell die richtigen Maßnahmen anwenden kannst.
Du solltest nun…
- … die grundlegenden Basiskompetenzen zur Versorgung von Atmungs-Notfällen kennen.
- … die wichtigsten rettungsdienstlichen Notfälle unterscheiden und die entsprechenden Maßnahmen benennen können.